Ein bemüht faktenarmer Bericht eines verzückten Vaters.

Mit Beginn des zweiten Schuljahres meines Sohnes kam die Nachricht in unsere Familie geflattert, dass die Kinder der Grundschule St. Bernhardt (GSB) in diesem Schuljahr ein Musical aufführen werden. Eine Nachfrage bei meinem Sohn, wie das Musical denn heiße, ergab in etwa folgende Antwort: „Tuju Puju, weiß nicht. Irgend etwas mit Afrika.“ Aha. Die Begeisterung schien überschaubar…

Vorbereitungsphase

Das Thema ruhte zunächst. Das galt allerdings nur für unseren Sohn. Die GS St. Bernhardt hingegen war in heller Aufregung. Dieses Projekt sollte recht bald alle Lehrer, Kinder und Eltern unserer Schule beschäftigen und – in der heutigen, angespannten Lage unserer Gesellschaft sehr selten – positiv mitreißen. Es fanden sich in der Folge verschiedene Gruppen, die die Organisation übernahmen. Die Eltern engagierten sich insbesondere bei der Bewirtung der Gäste des Musicals. Die Lehrer waren für das künstlerische Arrangement und das im Zaum-Halten der hochbegabten Nachwuchskünstler, einschließlich ihrer Schaffenskrisen und Lampenfieber-Anfälle verantwortlich. Und der Förderverein der GS St. Bernhardt beschaffte im Zusammenspiel mit Eltern, Gewerbetreibenden und Förderprogrammen das Geld, das für Beleuchtung, Regie, Bühnenbild und Kostüme nötig war. Großzügig unterstützt wurden wir dabei von unserer Musical-Stadt, das Kulturamt übernahm die Miete der Aula der Hochschule. In der Elternschaft entbrannten intensiv geführte Debatten über Sekt an den Abenden der Aufführung oder nicht und darüber, wieviel denn so an kulinarischen Schmankerln bei einem Kindermusical aufgefahren werden müssen. Auch wenn sich so manche Diskussion in ihrer Dynamik verselbstständigte, wurde sie wie von Geisterhand von verschiedenen Kräften wieder in konstruktive Bahnen gelenkt. So schritt die Zeit voran, gnadenlos der großen Woche entgegen.

Der künstlerische Inhalt

Aber nun zur künstlerischen Seite des Musicals. Es stellte sich alsbald heraus, dass das Musical nicht ‚Tuju Puju‘ sondern ‚Tuishi Pamoja‘ heißt und dessen Sujet eine entstehende Freundschaft in der afrikanischen Savanne umfasst. Die musikalischen und schauspielerischen Superstars des Musicals waren Giraffen, Zebras, Erdmännchen (besonders süß und echt clever) und ganz wichtig, die Traumgeister. Aber in einer echten Savanne muss es auch Löwen geben… Wie der geneigte Leser wahrscheinlich weiß, sind zumindest die ersten drei Gattungen in Verbänden, Herden und Gruppen organisiert, was bei Traumgeistern derzeit nicht zweifelsfrei bekannt ist. Man kann sich also vorstellen, was für ein Getrappel und Gedränge auf dieser Bühne herrschte. Alle Tiere sind ja gleichzeitig in der Savanne unterwegs. Es tummelten sich mitunter also 270 sehr niedliche, teils sehr kurze, teils schon recht lange, aber immer ganz große Tierchen (für die auch teilnehmenden Löwen gilt hier eher imposant, ja königlich) in der Bühnen-Savanne. Für meinen Sohn war von Anfang an klar, dass er keine der wichtigen Rollen spielen wird, was er auch nicht wollte, da er dazu in den Chor hätte gehen müssen (erste Stunde war ein schwerwiegender Hinderungsgrund). Die sprechenden Hauptrollen waren mit der TheaterAG verknüpft und den Großen vorbehalten – also den Kindern der dritten und vierten Klassen. Bereits anhand der Berichte über die Proben wurde klar, es steht etwas wirklich Großes ins Haus. Je näher das Musical kam, desto aufgeregter wurden… ALLE. Die Kinder probten und lampenfieberten, sie projektwochten und Afrika war quasi auch in unserem Wohnzimmer. Doch all die Aufregung war nichts im Vergleich zum finalen Akt.

Die große Show

Um so richtig im Musical-Business durchzustarten, kann man nicht einfach eine Aufführung machen und fertig. Deshalb wurde eine Kampagne geplant, die Montag-, Dienstag- und Mittwochaufführung umfasste. Natürlich gab es zwei Besetzungen, die auch zum Einsatz kamen. Man stelle sich ja nur mal vor, wenn sich ein Löwe oder ein Zebra eine Pfote oder ein Huf verletzt hätten und deshalb vielleicht am Dienstag in der Savanne nichts los gewesen wäre. Da war eine doppelte Besetzung einfach Pflicht. Nun wäre die GSt. Bernhardt nicht die GS St. Bernahrdt, wenn es bei einer Generalprobe nicht schon volles Haus geben würde. Am Montag (19.06.2023) wurde also am Vormittag die erste Aufführung als Generalprobe angesetzt und umliegende KiTas und Grundschulen als Gäste geladen. Was für eine Aufregung. Nach der Generalprobe brach ganz leichte Panik unter den Lehrern und den wenigen zusehenden Eltern aus, weil ja bekanntermaßen gilt, dass der Auftritt super wird, wenn die Generalprobe patzt. Die Generalprobe aber war der HIT, … Nun konnte es aber richtig losgehen. An allen drei Abenden war Aufführungsstart um 17:00 Uhr. Die Rektorin, Frau Besch, begrüßte vor vollem Haus die ca. 500 Gäste, die fast so aufgeregt waren, wie die jungen Künstler. Das Bühnenbild war liebevoll von den Drittklässlern gestaltet, die Beleuchtung höchst professionell und die in die Aufführung involvierten Lehrerinnen angespannt und voller Energie. Eine kleine Gruppe Musiker sorgte für die klangliche Untermalung und spielte sich regelrecht in einen Rausch, wie man ihn nur in einer Savanne erlebt. Es fällt nun schwer wiederzugeben, was beim Start von ca. 270 Kindern, die zusammen auf der Bühne singen und schwingen an Emotionen aufwallen. Aber das lässt niemanden kalt. Die Kids strahlten, die Chorleiterinnen gaben alles und es war ein musikalischer Genuss. Das gesamte Stück war toll inszeniert, toll gespielt, toll gesungen und toll musikalisch untermalt. Beeindruckend war, das die jungen Profis teils so taten, als wüssten sie die Texte nicht mehr, nur, um ihren Lehrerinnen, die sich als Souffleuse betätigten, das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden. Das ist Wertschätzung! Machen Sie sich bitte um die jungen Generationen nicht zu viele negative Gedanken. Inhaltlich lässt sich wohl recht treffend zusammenfassen, dass die wahren Könige der Savanne die Erdmännchen sind und es einfach draufhaben. Ferner lässt sich sagen, dass alle Tiere die Bühne als Freunde verließen, was überraschend war, da das am Anfang nicht so aussah. Nach den Aufführungen kam es auf dem Schulhof zu einem kulinarischen Abschluss bei netten und guten Gesprächen. Unsere Kids spielten derweil auf ihrem Schulhof.

Epilog

Was bleibt: Bei uns in der Familie ein Kind, dass uns erklärt hat, es möchte nächstes Jahr in die Theater-AG. Ein Kind, das einen riesigen Erfolg mit all seinen Schulfreunden feiern konnte, das erste Mal erlebt hat, was Applaus bedeutet und das dieser Ergebnis von Fleiß und Hingabe sein kann. Was bleibt noch: Es bleibt als Elternteil danke zu sagen. Danke an Frau Besch, die als unermüdliche Rektorin nicht zurückzuckt vor der Größe eines solchen Projekts und zusammen mit ihren klasse Lehrinnen das auf die Beine stellt. Danke aber auch an die vielen Eltern, die geholfen haben, an die Spender und Unterstützer. So geht Team. Noch etwas? Ja, noch etwas. Unsere GSB ist eine sehr bunte Schule. Es gibt Kinder mit sehr verschiedenem Hintergrund. Es gibt Kinder aus sehr wohlhabenden Familien und aus solchen, denen es nicht ganz so gut geht. Es gibt Kinder mit allen Hautfarben, manchmal auch grün. Und es gibt viele Kinder, die noch nie ein Musical gesehen hatten, bis sie selbst in einem spielten. Alle diese Kinder sind selbst wirksam geworden und haben ein Gefühl davon bekommen, was so geht. Was Begeisterung ist und wie man Begeisterung auslöst. Dieses Ergebnis rechtfertigt ein dreiviertel Jahr wirklich anstrengender Arbeit vollends. Ich bin sehr froh als Vater Teil von dieser Teamleistung gewesen zu sein.

(Sebastian Richter)